090708 Vorausschauende Instandhaltung

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Zuverlässig und dauerhaft im Einsatz: Portalhubwagen am Bremer Containerterminal.
Foto: Sabine Nollmann/kontexta

08.07.2009 Pressemitteilung BIBA - Bremer Institut für Produktion und Logistik

Vorausschauende Instandhaltung heißt: Das Fahrzeug meldet sich, bevor es Probleme bekommt

Technischer Service für Portalhubwagen: Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität Bremen beteiligt an Forschungsprojekt "Instandhaltungsoptimierung"

Wer aus dem Fenster in der fünften Etage eines normalen Wohnhauses blickt, bekommt eine ungefähre Vorstellung von der enormen Größe der Fahrzeuge: In rund 15 Metern Höhe arbeitet der Lenker in der Kabine der "Straddle Carrier" oder "Vancarrier". Das sind die Portalhubwagen, die in den Häfen Container bewegen. Diese rund 600.000 Euro teuren Fahrzeuge sind extremen Belastungen ausgesetzt und zumeist rund um die Uhr im Einsatz. Das stellt besondere Anforderungen an die Organisation der Wartungen und Reparaturen. Genau damit beschäftigt sich das Forschungsprojekt "Instandhaltungsoptimierung" der EUROGATE Technical Services GmbH. Das Vorhaben wird im Rahmen der Initiative ISETEC II vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert, und das Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH (BIBA) an der Universität Bremen ist mit einigen Teilprojekten daran beteiligt. Die BIBA-Forscher haben ihren Fokus besonders auf der Sensorik sowie auf den neuesten Informations- und Kommunikationstechnologien.

Am Containerterminal zählen Effektivität und Effizienz. Flexibilität und Pünktlichkeit sind ein absolutes Muss im Containerumschlag. Nicht weniger bedeutend sind Zuverlässigkeit und Sicherheit. Dafür muss unter anderem das technische Gerät stets in einem optimalen Zustand gehalten werden, was keine leichte Aufgabe ist. Alleine am Containerterminal in Bremerhaven sind knapp 300 Portalhubwagen unterwegs. Das erfordert ein ausgeklügeltes System, denn Ausfälle kosten Zeit und Geld: Technische Mängel können zu Maschinenschäden und damit zu teuren Standzeiten führen, und ungeplante Reparaturen belasten den technischen Service. So werden die Portalhubwagen regelmäßig aus dem Verkehr gezogen und penibel unter die Lupe genommen. In festen Intervallen werden ihre technischen Komponenten nach genauen Service- und Wartungsplänen überprüft und bei Bedarf repariert - wie bei der Inspektion eines Autos, nur weitaus detailierter und umfangreicher. Fachleute sprechen hier von einer "zyklischen Instandhaltungsstrategie".

Das Ziel: Der Wechsel von der zyklischen zu einer zustandsorientierten Instandhaltung

Nach jeweils zirka tausend Betriebsstunden steht ein Portalhubwagen auf dem Prüfstand, bei einem Dreischicht-Einsatz also rund alle sechs Wochen. Parallel dazu wird das Fahrzeug permanent überwacht. Vom Öldruck und bis hin zur Stromversorgung - über einen Bordrechner kann der Bediener des Portalhubwagens die wesentlichen Parameter des Fahrzeugs einsehen und er erhält über das System zudem Fehlermeldungen. Die Daten aus dem Bordrechner stehen auch dem technischen Service zur Verfügung: Werkstattmitarbeiter rufen sie zumeist während der Inspektion über eine Schnittstelle am Fahrzeug direkt ab.

In dem Forschungsprojekt soll nun ein technisches System entwickelt werden, das neben der Erfassung und zuverlässigen Bewertung von Betriebsdaten über Sensoren an wichtigen Komponenten eine optimale Steuerung der Werkstattauslastung ermöglicht. Die Wissenschaftler reden hier von "Equipment Monitoring" und "Condition Monitoring". Sie bezeichnen damit die automatische Datenerfassung und Interpretation von Zustandsinformationen über Maschinen und deren Komponenten. "In der Produktion ist diese Art der Überwachung inzwischen fast Standard", sagt Dipl.-Wi.-Ing. Marco Lewandowski, wissenschaftlicher Mitarbeiter am BIBA. Doch für mobile Anwendungen wie hier bei einem ganzen Fuhrpark sei es eine Neuigkeit und stelle bei der Entwicklung des Systems eine besondere Herausforderung dar.

Anders als bei der zyklischen Instandhaltung mit festen Wartungsterminen kann mit diesem Verfahren, der so genannten "zustandsabhängigen" beziehungsweise "vorausschauenden" Instandhaltung, nun auch ein kleiner Blick in die Zukunft erfolgen, woraus dann Maßnahmen abgeleitet werden können: Wo ist ein Verschleiß? Was funktioniert zwar noch, zeigt aber erste Schwächen? Welches Ersatzteil sollte bestellt werden? Die Mess- und Sensortechnik ermöglicht zum Beispiel Schwingungsanalysen, die auf Unregelmäßigkeiten schließen lassen - noch bevor es irgendwo hörbar klappert und rappelt. Der Portalhubwagen kann sich also bei der Zentrale melden, bevor er Probleme bekommt.

Für die Umsetzung des Vorhabens gilt es nun, die Zahl der überwachten Parameter und Funktionen zu erhöhen, neueste Sensortechnik und ein Rechnerprogramm zu integrieren sowie dem technischen Service den direkten Zugang zu den Daten zu ermöglichen - aus der Ferne und stetig während des laufenden Betriebes. Der Datenaustausch zwischen den Bordrechnern und einem zentralen Rechner wird per Funk erfolgen. Über das System sollen die aktuellen Ist-Zustände der einzelnen Portalhubwagen von einer zentralen Stelle aus abgerufen werden können, was unter anderem Prognosen zum künftigen Reparaturbedarf erlaubt. "Meldungen des Systems weisen frühzeitig auf drohende Schäden hin. Maschinenprobleme können also schon im Vorfeld erkannt werden", erklärt Lewandowski. "Das verringert die Standzeiten und vermeidet außerplanmäßige Ausfälle der Fahrzeuge sowie ungeplante Reparaturen. Die Beschaffung auszutauschender Komponenten sowie Reparaturzeiten und der Personaleinsatz können besser geplant werden", listet er weiter die Vorteile des Systems auf. Die Entwicklungen bei den Informations- und Kommunikationstechnologien und auch die Fortschritte in der Sensortechnik eröffneten zahlreiche Möglichkeiten, die Abläufe rund um die Instandhaltung eines Fuhrparks sowie ihre Organisation weiter zu optimieren. Geplant ist zunächst die prototypische Entwicklung des Systems, dann folgen eine Test- und eine Bewertungsphase sowie Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen - und das alles in Verbindung mit den bereits vor Ort bestehenden Systemen.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft (idw)