Leitlinie für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln
LEITLINIEN FÜR DIE GUTE VERTRIEBSPRAXIS VON HUMANARZNEIMITTELN (94/C 63/03) (engl. Good Distribution Practice (GDP))
Anmerkung
Diese Leitlinie wurde auf der Grundlage von Artikel 10 der Richtlinie 92/25/EWG des Rates vom 31. März 1992 über den Grosshandelsvertrieb von Humanarzneimitteln erstellt. Diese Leitlinie behandelt weder die geschäftlichen Beziehungen zwischen den am Vertrieb von Arzneimitteln beteiligten Parteien noch Fragen des Arbeitsschutzes.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Grundsätze
- 2 Personal
- 3 Dokumentation
- 4 Bestellungen
- 5 Verfahrensbeschreibungen
- 6 Aufzeichnungen
- 7 Räumlichkeiten und Ausrüstung
- 8 Warenannahme
- 9 Lagerung
- 10 Lieferung an Kunden
- 11 Rückgaben
- 12 Arzneimittelfälschungen
- 13 Besondere Bestimmungen für nicht zum Verkauf bestimmte Erzeugnisse
- 14 Selbstinspektionen
- 15 Unterrichtung der Mitgliedstaaten über Großhandelsaktivitäten
Grundsätze
Die Pharmazeutische Industrie in der Gemeinschaft legt bei der Qualitätssicherung hohe Massstäbe an und verwirklicht ihre pharmazeutischen Qualitätsziele, indem sie bei der Herstellung von in der Gemeinschaft zugelassenen Erzeugnissen die Gute Herstellungspraxis beachtet. Dadurch ist eine angemessene Qualität der Erzeugnisse, die für den Vertrieb freigegeben werden, gewährleistet.
Dieses Qualitätsniveau sollte im gesamten Vertriebsnetz aufrecht erhalten werden, so dass zugelassene Arzneimittel an Apotheken und andere Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit befugt sind, verteilt werden, ohne dass sich deren Eigenschaften verändert haben. Kapitel I des gemeinschaftlichen Leitfadens einer Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel beschreibt das Konzept der Qualitätssicherung in der pharmazeutischen Industrie; es sollte, soweit zutreffend, beim Vertrieb von Arzneimitteln berücksichtigt werden. Die allgemeinen Grundlagen von Qualitätssicherung und Qualitätssystemen sind in den CEN-Normen (Reihe 29000) beschrieben.
Ferner sieht die Richtlinie 92/25/EWG vor, dass Grosshändler sich an die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Prinzipien und Leitlinien einer Guten Vertriebspraxis halten müssen, um die Qualität der Erzeugnisse und der Dienstleistung der Grosshändler sicherzustellen.
Das Qualitätssystem der Vertreiber (Grosshändler) von Arzneimitteln sollte gewährleisten, dass in der Gemeinschaft vertriebene Arzneimittel gemäss dem Gemeinschaftsrecht zugelassen sind, dass zu jedem Zeitpunkt - auch während des Transports - die Lagerbedingungen erfüllt sind, eine Kontamination durch oder von anderen Erzeugnissen vermieden wird, ein angemessener Umschlag der gelagerten Arzneimittel stattfindet und die Erzeugnisse in ausreichend sicheren Bereichen gelagert werden. Ferner sollte durch das Qualitätssystem sichergestellt werden, dass die richtigen Erzeugnisse innerhalb einer angemessenen Zeitspanne an den richtigen Adressaten geliefert werden. Ein System der Rückverfolgung sollte es ermöglichen, etwaige fehlerhafte Erzeugnisse ausfindig zu machen. Ein wirksames Rückrufverfahren sollte ebenfalls vorhanden sein.
Personal
In jeder Vertriebsstelle sollte ein Beauftragter der Geschäftsleitung mit genau festgelegten Vollmachten und Zuständigkeiten ernannt werden, um sicherzustellen, dass ein Qualitätssystem eingeführt und aufrecht erhalten wird. Der Beauftragte sollte seine Verantwortlichkeiten persönlich ausfüllen. Er sollte angemessen qualifiziert sein. Ein Hochschulabschluss in Pharmazie ist wünschenswert, der Mitgliedstaat, auf dessen Hoheitsgebiet der Großhändler niedergelassen ist, kann die Qualifikationsanforderungen jedoch selbst festlegen.
Das mit der Lagerhaltung der Arzneimittel befasste Schlüsselpersonal sollte über angemessene Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um sicherzustellen, dass die Erzeugnisse und Materialien sachgerecht gelagert und gehandhabt werden.
Das Personal sollte für seine Aufgaben geschult und die Schulungsmaßnahmen dokumentiert werden.
Dokumentation
Die gesamte Dokumentation sollte auf Verlangen der zuständigen Behörde vorgelegt werden.
Bestellungen
Bestellungen von Großhändlern sollten ausschließlich an Personen gerichtet werden, die gemäß Artikel 3 der Richtlinie 92/25/EWG die Tätigkeit eines Arzneimittelgroßhändlers ausüben dürfen, oder an Inhaber einer gemäß Artikel 16 der Richtlinie 75/319/EWG erteilten Herstellungs- und Einfuhrerlaubnis.
Verfahrensbeschreibungen
In schriftlichen Verfahrensbeschreibungen sind die Arbeitsvorgänge festzulegen, die die Qualität der Erzeugnisse oder des Vertriebs beeinflussen können: Annahme und Kontrolle der Lieferung, Lagerung, Säuberung und Wartung der Räumlichkeiten (einschließlich Schädlingsbekämpfung), Aufzeichnung der Lagerungsbedingungen, Sicherheit von Vorräten vor Ort und von zwischengelagerten Sendungen, Entnahme aus dem Verkaufslager, Aufzeichnungen, einschließlich der Dokumentation der Kundenaufträge, zurückgesendete Erzeugnisse, Rückrufpläne usw. Diese Verfahrensbeschreibungen sollten von der für das Qualitätssystem zuständigen Person genehmigt, unterzeichnet und datiert werden.
Aufzeichnungen
Die Aufzeichnungen sollten gleichzeitig mit den entsprechenden Arbeitsvorgängen und in der Weise erfolgen, dass alle wichtigen Tätigkeiten oder Vorkommnisse zurückverfolgt werden können. Die Aufzeichnungen sollten eindeutig und leicht verfügbar sein und mindestens fünf Jahre lang aufbewahrt werden.
Jeder Ein- und Verkauf sollte aufgezeichnet werden, und zwar unter Angabe des Datums des Kaufs bzw. der Lieferung, Bezeichnung des Arzneimittels, der erhaltenen oder gelieferten Menge sowie Namen und Anschrift des Lieferanten oder Empfängers. Bei Handelsgeschäften zwischen Herstellern und Großhändlern oder zwischen Großhändlern (d.h. nicht bei Lieferungen an Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit befugt sind) sollten die Aufzeichnungen die Rückverfolgbarkeit von Herkunft und Bestimmung der Erzeugnisse sicherstellen, z.B. durch Dokumentation der Chargennummern, so dass alle Lieferanten und potentiellen Empfänger eines Arzneimittels ausfindig gemacht werden können.
Räumlichkeiten und Ausrüstung
Räumlichkeiten und Ausrüstung sollte geeignet und angemessen sein, um eine ordnungsgemäße Lagerung und einen ordnungsgemäßen Vertrieb von Arzneimitteln zu gewährleisten. Überwachungsgeräte sind zu kalibrieren.
Warenannahme
Die Lieferungen sollten bei der Warenannahme und während des Entladens vor schlechtem Wetter geschützt sein. Warenannahme und Lagerbereich sollten voneinander getrennt sein. Die Lieferungen sollten bei Annahme daraufhin überprüft werden, ob die Behältnisse unbeschädigt sind und die Lieferung mit der Bestellung übereinstimmt.
Arzneimittel, für die besondere Lagerungsbedingungen gelten (z.B. Betäubungsmittel und Erzeugnisse, die eine bestimmt Lagertemperatur benötigen), sollten unverzüglich identifiziert und gemäß den schriftlichen Anweisungen und einschlägigen Rechtsvorschriften eingelagert werden.
Lagerung
Arzneimittel sollten normalerweise getrennt von anderen Waren und unter den vom Hersteller festgelegten Bedingungen gelagert werden, um Qualitätsverschlechterungen durch die Einwirkung von Licht, Feuchtigkeit, oder Temperatur zu vermeiden. Die Temperatur sollte in regelmäßigen Abständen gemessen und aufgezeichnet werden. Die Temperaturaufzeichnungen sollten regelmäßig überprüft werden.
Wenn bei der Lagerung bestimmte Temperaturbedingungen herrschen müssen, sollten die Lagerbereiche mit Geräten zur Aufzeichnung der Temperatur oder anderen Geräten ausgestattet sein, die eine Abweichung von dem vorgegebenen Temperaturbereich anzeigen. Durch angemessene Kontrollen sollte sichergestellt werden, dass die Temperatur in allen Teilen des betreffenden Lagerbereichs innerhalb der festgelegten Temperaturgrenzwerte bleibt.
Die Lagerräumlichkeiten sollten sauber und frei von Abfall, Staub und Ungeziefer sein. Angemessene Vorkehrungen sollten getroffen werden gegen Auslaufen oder Zerbrechen, Befall durch Mikroorganismen und Kreuzkontamination.
Ein System, dessen einwandfreies Funktionieren durch regelmäßige und häufige Überprüfungen festgestellt wird, sollte den Umschlag des Bestandes ("First in, first out") garantieren. Erzeugnisse, deren Verfalldatum oder Haltbarkeitsdauer abgelaufen ist, sollten getrennt vom Verkaufsbestand gelagert und weder verkauft noch ausgeliefert werden.
Arzneimittel mit zerstörter Versiegelung, beschädigter Verpackung oder vermuteter Kontamination sollten aus den zum Verkauf bestimmten Beständen zurückgezogen werden und, falls sie nicht unmittelbar vernichtet werden, in einem klar abgetrennten Bereich gelagert werden, damit sie nicht irrtümlicherweise verkauft werden oder andere Waren kontaminieren können.
Lieferung an Kunden
Lieferungen sollten nur an andere Großhändler mit Genehmigung oder an Personen erfolgen, die befugt sind, in dem betreffenden Mitgliedstaat Arzneimittel an die Öffentlichkeit abzugeben.
Sämtliche Lieferungen an Personen, die befugt sind, Arzneimittel an die Öffentlichkeit abzugeben, müssen von einem Dokument begleitet sein, aus dem Datum, Bezeichnung und Darreichungsform des Arzneimittels, gelieferte Menge sowie Name und Anschrift des Lieferanten oder Empfängers hervorgehen.
Großhändler sollten in Notfällen in der Lage sein, die von ihnen regelmäßig vertriebenen Arzneimittel ohne Verzögerung an die Personen zu liefern, die zur Abgabe an die Öffentlichkeit befugt sind.
Arzneimittel sollten so transportiert werden, dass
- die Kennzeichnung nicht verloren geht;
- sie weder andere Erzeugnisse oder Materialien kontaminieren noch durch diese kontaminiert werden;
- ausreichende Vorkehrungen gegen Auslaufen, Zerbrechen oder Diebstahl besteht;
- sie sicher und weder in unvertretbarem Masse Hitze, Kälte, Licht, Feuchtigkeit oder einem anderen schädlichen Einfluss, noch mikrobiellem Befall oder Ungeziefer ausgesetzt sind.
Arzneimittel, die bei kontrollierter Temperatur gelagert werden müssen, sollten auch unter geeigneten Vorkehrungen befördert werden.
Rückgaben
Rückgaben nicht-mangelhafter Arzneimittel
Zurückgegebene nicht-mangelhafte Arzneimittel sollten bis zu einer Entscheidung über ihre weitere Verwendung getrennt von zum Verkauf bestimmten Beständen gelagert werden, um zu verhindern, dass sie wieder in Umlauf gebracht werden.
Erzeugnisse, die den Verantwortungsbereich des Großhändlers verlassen haben, sollen nur dann wieder den zum Verkauf bestimmten Beständen zugeordnet werden, wenn die Waren
- sich in den ungeöffneten Originalbehältnissen und in gutem Zustand befinden;
- bekanntermaßen ordnungsgemäß gelagert und gehandhabt wurden;
- noch eine vertretbare Haltbarkeitsdauer haben;
- von einer befugten Person überprüft und beurteilt wurden. Bei dieser Beurteilung sollten die Art des Erzeugnisses, etwaige erforderliche besondere Lagerungsbedingungen und der seit der Auslieferung des Erzeugnisses verstrichene Zeitraum berücksichtigt werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte Erzeugnissen mit besonderen Anforderungen an die Lagerungsbedingungen gewidmet werden. Soweit erforderlich, sollten vom Inhaber der Zulassung oder von der sachkundigen Person des Herstellers Ratschläge eingeholt werden.
Rückgaben sollten aufgezeichnet werden. Die verantwortliche Person sollte Waren, die wieder dem Bestand zugeführt werden sollen, formell freigeben. Erzeugnisse, die wieder den zum Verkauf bestimmten Beständen zugeordnet werden, sollten so eingeordnet werden, dass das "First in, first out"-Prinzip wirksam praktiziert wird.
Notfallplan und Rückrufe
Ein Notfallplan für dringende Rückrufe und ein Verfahren für nicht dringende Rückrufe sollten schriftlich festgelegt werden. Für die Durchführung und die Koordination von Rückrufen sollte eine Verantwortliche Person benannt werden.
Jede Rückrufaktion ist bei der Durchführung aufzuzeichnen; die Aufzeichnungen sind den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, auf dessen Hoheitsgebiet die Erzeugnisse vertrieben wurden, vorzulegen.
Um die Effektivität des Notfallplans sicherzustellen, sollten anhand des Systems für die Aufzeichnungen von Lieferungen sämtliche Empfänger eines Arzneimittels unverzüglich festgestellt und kontaktiert werden können. Die Großhändler können bei einem Rückruf entscheiden, ob sie alle ihre Kunden entsprechend informieren oder nur diejenigen, die die zurückgerufene Charge erhalten haben.
Das gleiche System sollte unterschiedslos bei Lieferungen in den Mitgliedstaaten, die die Genehmigung für den Großhandel erteilt haben, und in anderen Mitgliedstaaten gelten.
Im Falle eines Chargenrückrufs sollten alle Kunden (andere Großhändler, niedergelassene Apotheker oder Krankenhausapotheker sowie Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit befugt sind), an die die Charge geliefert wurde, mit dem entsprechenden Dringlichkeitsgrad informiert werden. Dies schließt auch Kunden in anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat, der die Großhandelsgenehmigung erteilt hat, ein.
Die vom Inhaber der Zulassung und gegebenenfalls von den zuständigen Behörden bestätigte Rückrufbenachrichtigung sollte angeben, ob der Rückruf auch den Einzelhandel betrifft. Die Nachricht sollte die Aufforderung enthalten, die zurückgerufenen Erzeugnisse unverzüglich aus den zum Verkauf bestimmten Beständen zu entfernen und getrennt in einem sicheren Bereich zu lagern, bis sie gemäß den Anweisungen des Zulassungsinhabers zurückgesandt werden.
Arzneimittelfälschungen
Gefälschte Arzneimittel, die im Vertriebsnetz auftauchen, sollten getrennt von anderen Arzneimitteln aufbewahrt werden, um Verwechslungen zu vermeiden. Sie sollten eindeutig als Erzeugnisse, die nicht zum Verkauf bestimmt sind, gekennzeichnet werden; die zuständigen Behörden und der Inhaber der Zulassung für das Originalerzeugnis sollte unverzüglich informiert werden.
Besondere Bestimmungen für nicht zum Verkauf bestimmte Erzeugnisse
Jede Rückgabe, Zurückweisung von Erzeugnissen und Rückrufaktion sollte ebenso wie der Eingang von gefälschten Arzneimitteln unmittelbar aufgezeichnet werden; diese Aufzeichnungen sollten den zuständigen Behörden vorgelegt werden. In jedem Einzelfall sollte eine formelle Entscheidung über die Beseitigung der Erzeugnisse getroffen werden; diese Entscheidungen sollten dokumentiert und aufgezeichnet werden. Der für das Qualitätssystem zuständige Beauftragte des Großhändlers und gegebenenfalls der Inhaber der Zulassung sind nach Möglichkeit in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.
Selbstinspektionen
Selbstinspektionen sollten durchgeführt (und aufgezeichnet) werden, um die Umsetzung und Beachtung dieser Leitlinie zu überprüfen.
Unterrichtung der Mitgliedstaaten über Großhandelsaktivitäten
Großhändler, die Arzneimittel in einem anderen Mitgliedstaat (in anderen Mitgliedstaaten) als dem Mitgliedstaat, in dem die Großhandelsgenehmigung erteilt wurde, liefern oder liefern wollen, sollten auf Anfrage den zuständigen Behörden des anderen Mitgliedstaates (der anderen Mitgliedstaaten) sämtliche Informationen über die in dem Mitgliedstaat, aus dem die Lieferungen erfolgen, erteilte Genehmigung vorlegen, d.h. die Art der Großhandelstätigkeit, die Anschrift der Lagerräume und Vertriebsstellen sowie gegebenenfalls das belieferte Gebiet. Die zuständigen Behörden des anderen Mitgliedstaats (der anderen Mitgliedstaaten) werden gegebenenfalls den Großhändler über etwaige öffentliche Versorgungsverpflichtungen informieren, die den in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Großhändlern auferlegt sind.
Quelle: RHI, Basel, 2010